Reumütige Sehnsucht fesselt mich. ES beschwert meinen Körper mit bestialischem Terror.
Gleiche Richtung, gleiches Kaliber. Wir lassen die Sachen auf der Theke liegen. 10€, stimmt so. Das Zeug kannste behalten, gehörte mal jemandem, den ich liebte. Immer noch liebe. Nothing to care. Schönen Tag und keine Widerworte, sonst werde ich ne verdammt unangenehme Fratze.
Die Türe scheppert auf, das kleine Bistro schaut rüber, schaut wieder weg, frisst ihre Burger, ihre Pommes weiter und flutet das Ganze mit dem siffigen Chlorwasser.
Die Kellnerin schaut uns nach, nimmt langsam den Helm von der Theke, taxiert ihn, dreht ihn ein paar Mal. Schaut hinein. Ist uninteressant, ist aber das Leben. Das ist zum Großteil scheiß uninteressant. Immer. Wieder die Klingel und die Glastüre fällt kräftig ins Schloss.
Draußen frisst sich die Hitze in uns rein. Slighty hung over you. Immer noch. Du liegst sicher irgendwo am Strand. Ohne Sonnencrème. Weißwein in der Hand, Chardonnay, wie immer. Diese Scheiße sollte nirgends verkauft werden. Erbrochenes Champagnerwasser oder was weiß ich, was so schmeckt wie dieses prätentiöse Drecksgetränk. Slighty hung over you. You shouldn’t lie baby, to someone who loves you. Nono. Wir laufen rüber zum Auto. Brüllend heiß drin. War n Fehler direkt in der Sonne zu parken, weiß ich jetzt. Hätte ich wissen müssen, wäre n gutes Wissen gewesen, vor 30 min. Sei’s drum. Rein in die Blechdose, schmoren, blubbern, freimütig aus dem Fenster mit dem Kopf. In den Wind kotzen und den Sabber an einem vorbeischmatzen sehen. Rückspiegel fehlt gekonnt immer noch. Banause. Sie liegt wieder hinten, feilt an ihren Nägeln rum. Ich greife rüber zum Scotch. Den Pfropfen mit den Zähnen gelöst, zur Seite gespuckt. Ein paar mehr Schlücke schaden bei dem Wetter sicher nicht. 4 – 5 stabile Züge. Ich reich die grünliche Flasche nach hinten. Sie zögert, greift zu. Was sie damit macht geht mich nichts an, interessiert mich nicht, Null. Ich höre Geräusche, die irgendwas andeuten. Macht sie gut.
Ich schaue auf die Tachonadel. 90. Circa. Sie zittert wie ein Heroinsüchtiger an seinem zweiten Entzugstag. Scheißkarre. Die Tanknadel hält sich wacker. Voller Tank. Das will ich auch hoffen, nachdem ich gerade erst getankt hab. Ich ziehe n bisschen Rotz hoch, strecke den Kopf aus der Scheibe und werd das Zeug so los, wie man es von mir erwartet. Auf einen vorbeifahrenden SUV. Dem fehlenden Rück- kommt der Seitenspiegel heroisch und polternd zur Hilfe. Ich sehe, dass der Karren bremst. Der merkt dann aber wohl, dass es kein überfetter Käfer war, sondern nur n ansatzweise fetter Typ in nem kaputten Mazda. Ich wackle leicht am Seitenspiegel, halte ihn keine Sekunde später in der Hand. Schau mein unrasiertes Konterfei mit Clint-Eastwood-Lächeln an und werfe den Abriss auf die sengende Straße. Asche zu Asche, Seitenspiegel auf die Fahrbahn. Geht so der Spruch? Katechismus war noch nie so meins, aber in der Zeit gab’s auch noch keine Mazdas oder Fahrbahnen. Sonst wäre da sicher irgendwas anders gelaufen. Von hinten taucht die grünliche Flasche wieder in meinem Sichtfeld auf. Ich nehm sie, nehm einen Schluck. Leer. Besoffenes Rotzgör. Ich werf die Flasche auf den Beifahrerboden und drücke dann auf das Autoradio. Irgendwas jazzt und bluest da drin ganz schön. Mighty Sam McClain, Gene Deer, Chris Bell. Mit Cold-hearted Woman auf den Ohren geht’s mit 90 weiter nach vorn. Treibend. Slighty hung over you. Das geht so leicht sicher auch nicht weg.
Gekühlter Chardonnay – du bist echt das Letzte. Muss ich schon sagen.
Ich mach die Wasserfontäne an, versuche die Trockenheit – Ersatzhandlung für den ausbleibenden Kehlenbalsam – auf der Windschutzscheibe zu vertreiben. Leer. Whiskyeske Verhältnisse auch da. Scheiße. Würde das auch mit Whisky reinigen oder reißt es mir dann das Getriebe raus? I know someone has hurt you. Some man has made you cry. Baby, don’t confuse me, just try to understand.
Ich leih mir die Leichtgläubigkeit eines Kaktus und starre gedankenlos nach vorn.
Rechts sehe ich zwei Ziegen am Rand der Straße. Ich drehe den Kopf um 90 Grad, schaue mit schmerzenden, verdrehten Augen nach hinten, um zu sehen, ob sie das auch sieht. Sie schläft aber schon wieder. Die lebt wie ne überfettete Katze in einem Salamiladen. Immerhin trinkt sie Whisky und keinen gekühlten Chardonnay. Hätte ich noch nen Rückspiegel, könnte ich nochmal schauen, ob die beiden Viecher da immer noch stehen. Lonesome in my bedroom.
Mit der Leichtgläubigkeit eines Kaktus geht es weiter. Gedankenlos in Gedanken verloren. Ohne Rückspiegel und jetzt auch ohne Whisky.
Weitere Texte von Michael
Reumütige Sehnsucht fesselt mich. ES beschwert meinen Körper mit bestialischem Terror.
Der flackernde Asphalt läuft in Richtung Westen. Eben. Heiß. Ich sollte besser nicht mehr fahren. Bin müde, matt vom Tag, den Wochen.
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