© Fotoarchiv Helena Melikov

DER MANN MIT DEM REGENMANTEL

von MINETTA

Es regnet. Du siehst mich einsam unter einem Vordach sitzen. Bereits in der Bar hattest du mich gesehen. Mich wiedererkannt. Während ich langsam tanzte, erst allein und dann in den Armen eines Anderen.

 

Es regnet und du hast Mitleid mit mir. Ich sitze hier, im Regen und in meiner dünnen Jacke. Nicht frustriert darüber, aber auch nicht gerade glücklich. Als ich raus rannte, war Flucht mein einziger Gedanke. Mein einziges Ziel.

 

Mit welchem Recht, darf sich ein Mann – nach einem Tanz oder Bier – erlauben mich zu küssen? Ich schob weg den miesen Verführer und ging nach draußen. Verließ das Etablissement. Verließ all die gebrochenen Herzen, die kalte Asche und leeren Biergläser.

 

Nun sitze ich hier, in der dir wohl bekannte Silhouette. Im Laternenlicht unter den Tränen des Äther. Es regnet und du kommst zu mir. Bist auf dem Heimweg und in Gedanken bereits im warmen Bett.

 

Du sagst, dein Regenmantel ist groß genug für zwei und schlüpfst aus einem Ärmel. Nimmst mich in den Arm. Meine Hand hält sich an deiner rechten Hüfte fest. Ich schlüpfe in deinen linken Ärmel.

 

Du riechst, genau wie ich, nach Zigaretten und verschüttetem Rausch. Dein Körper warm und vertraut. Dein Blick offen. Diese grünen Augen mit den langen Wimpern. So ziehen wir los, in die nasse Nacht.

 

Gehen vorbei an leerstehenden Läden. Halten vor Schaufenstern und amüsieren uns über den allgegenwärtigen Kitsch. Der Regen lässt nach und wir bleiben stehen. Du zückst dein Smartphone und öffnest die Kamera.

 

Unser beider Spiegelung im Fenster. Wir sind wie ein siamesischer Zwilling, witzele ich. Du machst Fotos und ich lege meinen Kopf auf deine Schulter. Drehe mich zu deinem Körper und berühre dich mit meinem Regenmantelärmel.

 

Kann es nicht lassen. Riehe dein Haar. Dieser Geruch, so wohl bekannt. Dein Lockstoff funktioniert. Ich küsse deinen Hals und dann küsst du mich.

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