© Fotoarchiv Helena Melikov

Verästelte Wirrungen.

von Michael Schuster

„Ach denkst du das? Nach 20 Jahren ist das deine Einschätzung? Wenn das so ist, dann bitte, mach doch was du willst, aber lass mich da bitte raus!“ Er schnappte seine Jacke, pfiff seinen Hund zu sich und schlug die Türe wütend hinter sich zu. Kalte Luft stieß ihm entgegen und zwang ihn dazu seine Jacke komplett zu schließen. Er erlebte sich selbst in einer Position, die er bisher immer gefürchtet hatte, die ihn schwach zeigen und ihm einiges abverlangen würde. Er fasste sich durch seine krausen Haare und atmete tief durch. Das Laub hatte bereits das zeitliche gesegnet und der Schnee umschlang das Land wie ein weißes Seidenlaken. Vereinzelt gab es noch dunkelbraune Flecken, die den kalten Flocken standhalten könnten. Der See, unweit von Anselms Haus, lag zugefroren da und verpackte alles in ihm Befindliche. Anselm lief auf den ihn zu und blickte über ihn hinweg – mit starrem und ausdruckslosem Gesicht. Der kalte Wind pfiff ihm über dieses, wodurch er den Kragen hochschlug und seine Hände in die Jackentaschen packte. Er haderte mit sich selbst, sah seinem Hund beim Umhertollen zu und versuchte die Situation zu greifen, in die er vor fünf Minuten geworfen wurde. Die kahlen Bäume knarzten leise und entfernt konnte man eine Ente schnattern hören. Seine Gedanken überschlugen sich. Seine Emotionen waren ungreifbar geworden und doch griff er eine davon heraus. Hoffnung. Er sah sich den See, die Bäume und das verdorrte Gras an, über das sein Hund hastig rannte. So trist der Herbst auch sein mag, so vergänglich war er auch. Bald sollten die Bäume wieder ein saftiges Blätterdach tragen, der See wird bevölkert von Insekten, Ente und Fröschen und das Gras wird in den grünsten Farben erblühen. Er atmete durch und schloss die Augen. Hinter ihm griff ihm jemand an seine Schultern und legte den Kopf auf seinen Rücken „Es tut mir leid.“

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