© Doménico CV Talarico

Vom Foto zur Malerei

Im Gespräch mit Doménico CV Talarico

Wie kam es dazu, alte Fotos als Vorlage für deine Malerei zu verwenden?

 

Portraits haben mich schon immer fasziniert, ich habe ihnen aber nie unter künstlerischem Anspruch Beachtung geschenkt. Eines Tages kaufte ich mir auf Ebay eine Art Deco Schatulle (Der Wunsch spät nachts lieber nach schönen Dingen zu stöbern anstelle einfach schlafen zu gehen). Der Verkäufer hatte es versäumt die Innenseite zu fotografieren, was mich aber nicht abgehalten hat sie zu kaufen. Man kann sich vielleicht schon denken, wohin diese Geschichte führt: Im Inneren war ein Bündel alter Portraitfotografien, circa 1930er Jahre – Auf ihnen waren diverse Frauen und Männer abgebildet, teilweise die gleichen Personen in verschiedenen Posen und Outfits.

 

Nun hatte ich dieses Bündel Fotografien und keine Ahnung, was ich damit anfangen soll. Als es mich langweilte weiterhin Illustrationen mit Tusche und Aquarell zu zeichnen und ich viel lieber etwas malen wollte (später dazu mehr) brauchte ich eine Vorlage. Und das war eines der Portraits. So fing das damals an. Das war 2011/2012.

Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass die Welt immer roher und hässlicher wird; dass Design puristischer wird, ohne die Schönheit miteinzubeziehen, dass die Menschen sich lieber zweckmäßig kleiden als ein wenig in die Trickkiste zu greifen.

© Foto Dahahm Choi
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© Sammlung Doménico CV Talarico

Was fasziniert dich an diesen alten Fotografien?

 

Ich bin eine sehr nostalgische Person. Ich habe ein inneres Verlangen Vergangenes zu erhalten, mich schön zu kleiden, mich mit schönen Dingen zu umgeben. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass die Welt immer roher und hässlicher wird; dass Design puristischer wird, ohne die Schönheit miteinzubeziehen, dass die Menschen sich lieber zweckmäßig kleiden als ein wenig in die Trickkiste zu greifen. All das und noch viel mehr löst in mir eine Unruhe aus, die ich immer wieder neu zu lösen suche. Ein großer Beitrag diese Unruhe zu zerstreuen ist mein künstlerisches Schaffen und damit der Versuch erlebte Momente vergangener Personen in einer – wenn auch neuen – Form greifbar zu machen, sie damit zu erhalten und meinen inneren Frieden zu bewahren.

 

Wo findest du deine fotografischen Vorlagen?

 

Ein Großteil meiner Fotografien finde ich zufällig auf Flohmärkten, in Trödelhallen und bei Wohnungsauflösungen. Diese kommen einzeln in Kisten als auch in Fotoalben. Es bricht mir manchmal das Herz diese fortlaufenden Geschichten auseinander zu reißen, alle Bilder kann ich aber auch nicht kaufen und oftmals sind die Alben ohnehin nicht mehr komplett, wenn ich sie mir ansehe. Auch bei Ebay schaue ich danach. Wenn ich etwas Konkretes suche (außer „Katze auf Cabriolet“ habe ich über kurz oder lang bisher alles gefunden …) ist die Plattform immer eine gute Adresse.

Du bedienst dich aus einem bestimmten Jahrhundert der Fotografie, woher kommt diese Faszination?

 

Anfangs war mein Schwerpunkt zwischen 1890 bis 1910, mit der Zeit veränderte es sich aber. Ein Großteil meines Bilderarchivs wurde zwischen 1910 über die 20er und 30er Jahre bis zu 1950 aufgenommen. Das liegt daran, dass Fotos aus dieser Zeit eine gewisse Ästhetik ausstrahlen, die mich besonders fasziniert. Sowohl die Schnappschüsse als auch die Studioaufnahmen sind nicht so steif wie Fotografien aus vorherigen Jahrzehnten.

 

Gibt es eine Person aus deiner Fotosammlung, die du in deine Arbeit transportiert hast, die dich am meisten inspiriert oder nachhaltig beeinflusst hat?

 

Jede Person, die ich male oder in ein Bild mit einbeziehe, beeinflusst die jeweilige Arbeit. Ich lasse mich von ihr inspirieren, nur so können meine Arbeiten entstehen.

 

Deine Bilder transportieren eine melancholische und nostalgische Stimmung. Womit hängt es zusammen?

 

Nostalgie kommt von ganz alleine, wenn man sich Vergangenem mit ästhetischem Anspruch widmet. Melancholie kommt, wenn man sich in das Vergangene hineinzuversetzen versucht.

© Doménico CV Talarico
© Privat
© Privat

Wie kamst du zu Malerei?

 

Gemalt habe ich schon immer. In der Schule hatte ich Malerei zusätzlich zu Kunst als Wahlpflichtfach belegt und auch mein Abitur hatte einen künstlerischen Schwerpunkt. Das stellte die Weichen früh und schnell war klar, wo es hingehen soll. Anfänglich beschäftige ich mich mit Tusche-Illustrationen, ging dann zu Aquarell über, bis es schließlich die Malerei mit Acrylfarbe wurde, mit der ich mich noch heute hauptsächlich beschäftige.

 

Fragst du dich oft, was diese Person auf dem Bild wohl erlebt hat und wer sie eigentlich war?

 

Genau das ist eine meiner Inspirationen. Man findet so viele Personen, die für den Bruchteil einer Sekunde auf Kamerafilm festgehalten wurden, anschließend entstand ein Foto: Ein Relikt genau dieses einen Moments, von dem niemand mehr weiß, was geschah oder wie es überhaupt zu dem Foto kam.

 

Manchmal steht etwas auf der Rückseite, oder es ist ein Fotografenlogo mit auf die Fotokarte geprägt, sodass man zumindest nachvollziehen kann, wo es aufgenommen wurde (Falls es eine Studioaufnahme ist).

 

Kleine Anekdote: Auf einem Foto meiner Sammlung sieht man zwei Berliner Damen an einem Tisch sitzen, der in einen Garten/Apfelhain gestellt wurde. Die Szenerie und der Bildaufbau sind sehr harmonisch, es strahlt eine zufriedene Ruhe aus. Auf dem Tisch stehen nicht zwei, sondern drei Gläser mit Saft oder Wein: Ich gehe davon aus, dass der/die Dritte im Bunde das Bild geschossen hat.

 

Diese – wie auch viele andere Fotografien – lassen so viel Spielraum es zu erforschen zu interpretieren oder weiterzudenken. Das finde ich ganz wunderbar!

Wie kommt es, dass du ein Bildmotiv in zwei Variationen malst? Warum die zweite von der Form gelöste Version?

 

Ich widme mich ja fremden/unbekannten Identitäten. Auf meinen Bilden sind sie zwar zu erkennen, jedoch bilde ich ganz andere, fiktive Kontexte ab. Sie sind also eine abstrahierte Version der vergangenen Realität. Da möchte ich noch Einen drauf setzen und abstrahiere bzw. noch weiter reduziere: Das ist die fortlaufende Serie Mini Painting.

 

Anfangs habe ich die kleinen Mini Paintings als Skizze gemalt. Damals, als ich noch nicht in Serien gemalt habe, sondern mich von Arbeit zu Arbeit hangelte – somit auch von Farbpalette zu Farbpalette – war es manchmal recht schwer Farbigkeiten abzustimmen, ohne eine Fläche fünf Mal übermalen zu müssen (Kommt trotzdem manchmal noch vor …). An den Mini Paintings konnte ich mich orientieren.

 

Seitdem ich 2018 anfing seriell zu malen, also mehrere Arbeiten in Farbigkeit und Thematik bündle, habe ich schnell eine Farbpalette, die ich dann leicht abgewandelt auf alle weiteren Arbeiten übertrage. Die Mini Paintings werden seitdem als Beiwerk entweder simultan, kurz davor oder kurz danach gemalt.

© Doménico CV Talarico

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