© Fotoarchiv Helena Melikov

Echtes Leben

von Doreen Kunze

Ob wir nicht mal in mein Lieblingscafé gehen wollen, fragst du. Um zu reden. Um uns kennenzulernen. Real Life. Auf einen Kaffee oder Tee oder was auch immer ich gern trinke.

 

Du kennst mich nur von hier. Kennst nur das, was ich bereit bin preiszugeben. Nur die Art, wie ich mich präsentiere. Dass ich Bücher mag, dass ich beim Sternenhimmel immer an Douglas Adams denken muss, dass ich es hasse, wenn die Kollegen den Kaffee nicht nachkochen. Das weißt du. Das hast du gelesen.

 

Dass mein Kopf sich dreht, dass ich mich im Auge eines Sturms befinde, dass ich Angst habe. Immerzu. Kannst du ja gar nicht wissen. Auch nicht, dass ich es leid bin, ein Lieblingscafé haben zu müssen. Nur weil das jetzt jeder hat. Weil es zum guten Ton der Großstadt gehört. Ich sage dir nicht, dass ich mich noch immer viel lieber in alten, verrauchten Kneipen aufhalte. Weil ich mich dort echter fühle.

 

Ich lasse die Googlesuche entscheiden, welches Café der Stadt ich von nun an am liebsten mag. Dort treffe ich dich. Dort triffst du meine Präsentation von mir. Im echten Leben.

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Dissoziation

Eines Tages bist du einfach zurückgekehrt und nichts war mehr wie vorher. Als hätte man dir die Augäpfel durch fremde ausgetauscht, siehst du mich mit einem unbekannten Blick an.

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